Wohin geht die Reise ?
Wenn es stimmt, was uns Symposien und Zukunftsforscher prognostizieren, dass unser bereits in wenigen Jahrzehnten verfügbares Wissen heute zum größten Teil noch völlig unbekannt ist, werden Vorhersagen natürlich schnell zu Makulatur.
Unsere Lebens- und Arbeitswelten haben in den letzten Jahren einen dramatischen Wandel vollzogen. Dieser Veränderungsprozess ist jedoch noch lange nicht abgeschlossen - im Gegenteil. Die rasante Entwicklung neuer Technologien, die Entstehung neuer Wertschöpfungsnetzwerke und die Notwendigkeit zu einer deutlich nachhaltigeren Lebensweise sind zentrale Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.
Es hat lange gedauert, bis Innenarchitektur erwachsen wurde. Viele unterschiedliche Spezialbereiche haben sich in Deutschland während dieser Zeit entwickelt, in denen zwar erfolgreich gearbeitet, jedoch durch eine heterogene Innenarchitekturlandschaft ein gemeinsames und einheitliches Berufsverständnis erschwert wurde. Für die Zukunft gilt es, den Trend einer klaren Positionierung zu verstärken, um Innenarchitektur noch stärker in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern.
Innenarchitektur im Wandel
Innenarchitektur hatte es in der Vergangenheit nie leicht. Stand sie doch mit ihren Anfängen im Kunsthandwerk zu Anfang des letzten Jahrhunderts immer im Schatten der „Mutter aller Künste“ der Architektur und war bestenfalls ein spezialisierter Unterbereich davon. Erst nach dem zweiten Weltkrieg gelang es ihr, sich als eigenständige Disziplin zu etablieren, mit eigenen Studiengängen, mit einem zur Architektur abgegrenzten Berufsbild und als eigenständige Fachrichtung innerhalb der deutschen Architektenkammern. Vielleicht erklärt diese noch junge Eigenständigkeit die immer noch vorhandenen Ressentiments in der Öffentlichkeit.
Innenarchitektur international
Verlässt man Deutschland, was durch den Bolognaprozess ja erreicht werden sollte, stellt man fest, dass es europaweit weder ein ähnliches, und noch weniger, ein einheitliches Ausbildungssystem gibt. Viele Länder kennen weder ein Innenarchitekturstudium, geschweige denn die freiberuflichen Reglungen des deutschen Architektenwesens. Entsprechend stark ist daher oft der Gegenwind innerhalb der EU bei tradierten nationalen Gesetzen, zB. unsere HOAI, länderspezifische Normen und Ordnungen zu erhalten und zu novellieren. Andererseits hat bislang aber auch noch kaum eine deutsche Hochschule ein Notifizierungsverfahren eingeleitet, um im Anhang der europäischen Richtlinie registriert und für seine Absolventen europaweit anerkannt zu werden. Somit erschweren zusätzlich auch nationale Eigenheiten ein gemeinsames, eigenständiges Innenarchitekturverständnis für Europa.
International überwiegen sogar, vor allem im asiatischen Raum, und meist auch noch als Komplettanbieter die gewerblich tätigen Interior-Designer im IFI, dem internationalen Innenarchitekturverband. Eine Entwicklung, die es in einer globalisierten Welt für die meist kleineren IA-Büros sehr schwer macht und unser deutsches Verständnis eines freiberuflichen Dienstleisters als Sachwalter des Bauherrn zunehmend in Frage stellt.
Innenarchitektur zwischen Theorie und Praxis
erfordert den ständigen Dialog zwischen Hochschulen und Kammern. Berufsanforderungen bedingen Ausbildungsinhalte. Studieninhalte und Berufszugangsregeln beeinflussen sich gegenseitig. Die Umstellung auf Bachelor/Master hat die alte Diplomorientierung abgelöst. Gibt es einen Weg zurück? Einige Universitäten verleihen mit dem Master bereits wieder den tradierten Diplomingenieurtitel.
Alle reden von Bildung, als einzigem nennenswerten Rohstoff, über den wir in Mitteleuropa verfügen. Macht es da Sinn, unser bisher 4-jähriges Diplomstudium auf 3 Jahre Bachelor zu verkürzen, auch wenn die Politik dies mal vor 15 Jahren so beschlossen hat. Wollen wir wirklich, dass ein 6-semestriger Bachelor, obwohl er Innenarchitektur studiert hat, sich nicht als solcher bezeichnen darf und seine berufliche Position später auf dem Niveau eines Technikers finden wird?
Einige Länder haben bereits umgestellt und ein 4-jähriges Regelstudium als Eintragungsvoraussetzung auch für die Innenarchitektur beschlossen. Kammereintrag, Titelschutz und Bauvorlagerecht sind zwar nicht für Jeden von gleicher Bedeutung, werden jedoch künftig mehr denn je zur Voraussetzung - für europaweites Arbeiten und zur Nutzung der Chancen sich erweiternder Tätigkeitsgebiete.
Angesichts unterschiedlicher Studiengänge und Hochschulprofile, mit nur wenigen Masterstudiengängen für Innenarchitektur, wird es künftig für die Eintragungsauschüsse der Kammern schwierig, zwischen „gerade noch konsekutiven“ und nicht eintragungsfähigen konversiven Studienabschlüssen, zwischen Y- und X-Modellen zu differenzieren und in den sich häufenden Einzelfallprüfungen den Bewerbern gerecht zu werden.
Innenarchitektur ist Bauen im Bestand
Alle diese Punkte zeigen auf, dass ein Schwerpunkt heutiger wie künftiger Innenarchitektur in der Beschäftigung mit bestehender Bausubstanz liegt und, blickt man zurück, eigentlich auch immer schon lag. Innenarchitekten haben bereits im Studium gelernt, im Rahmen bestehender Vorgaben zu entwerfen und später in der Praxis bewiesen, dass sie die Spezialisten im Umgang in und mit vorhandenen Strukturen sind. Konsequenterweise haben einige Landesbauordnungen diese Weiterentwicklung der Innenarchitektur in ihrem Bauvorlagerecht bereits nachvollzogen. Neben der Gestaltung von Innenräumen zählen neuerdings auch die damit verbundene Änderung von Gebäuden, und dies sogar ohne jegliche Größeneinschränkung, zum Tätigkeitsgebiet der Innenarchitektur.
Richtigerweise bleibt der Neubau die Domäne unserer Hochbaukollegen und der Innenarchitekt entwickelt sich perspektivisch zum „UmbauArchitekten“. Keine allzu schlechte Aussicht auf künftige Marktchancen, wenn man bedenkt, dass sich die Verteilung des Bauvolumens in Deutschland maßgeblich zugunsten der Umbauten verändert hat. Ungeahnte Spielräume tun sich auf, wenn Innenarchitektur dieses Potential erkennt und nutzt.
BDIA und Innenarchitektur
Als einziger Berufsverband deutscher Innenarchitektur, vertritt der BDIA in der Öffentlichkeit einheitlich die Interessen aller Innenarchitekturschaffenden und bindet auch diejenigen Kollegen mit ein, die sich -aus welchen Gründen auch immer- nicht für einen Kammereintrag entschieden haben. Dies zeigt aber bereits das Dilemma des BDIA auf, welches durch den Titelschutz der eingetragenen und den berufsrechtlichen Problemen der nicht eingetragenen Mitglieder entsteht. Dies wird sich durch internationale oder nur begrenzt konsekutive Studienabschlüsse künftig noch vielschichtiger gestalten und einen nicht immer leichten Spagat zwischen tradierten berufsrechtlichen Regelungen und neuen Ansprüchen an einen modernen Berufsverband erfordern.
Eine Liberalisierung der Mitgliederstruktur unter Beibehaltung bestehender Qualitätsansprüche und eine neue, moderat weiter entwickelte Interpretation des BDIA-Begriffs wird dabei nicht zu umgehen sein, um auch künftig alle Innenarchitektur-schaffenden unter dem Dach eines modernen BDIA in Deutschland zusammenzuführen.
Nur wenn es gelingt, die unterschiedlichen Anforderungen in unseren Berufsverband zu integrieren, sich auf Basis des bisher Erreichten weiterzuentwickeln, die neuen Ausbildungswege, geänderte Studienabschlüsse, Ansprüche von Politik und Öffentlichkeit mit den Interessen von Innenarchitekten in Einklang zu bringen, wird der BDIA auch künftig die Kraft haben, für die Innenarchitektur in Deutschland mit einer Stimme sprechen zu können und letztlich gehört zu werden.
Sie sehen also, es gibt viel zu tun und es bleibt spannend!